Autor: Daniel Wilhemi
Die Welt hat sich seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine am 24. Februar grundlegend verändert. Wir sehen den Beginn einer De-Globalisierung und befinden uns in der Frühphase des neuen, zweiten Kalten Krieg. Geben Sie sich keinen Illusionen hin: Vor allem in Europa stehen uns harte Jahre bevor.
Unser Problem: Niemand ist für die neue Weltordnung und die kommende Weltwirtschaft so schlecht aufgestellt wie Deutschland. Die erste Konsequenz für Börsianer muss deshalb lauten: Deutsche Aktien – mit Ausnahme einiger weniger Qualitätsunternehmen und Wachstumssektoren wie Erneuerbare Energien – untergewichten und die USA übergewichten.
In Hedgefonds-Kreisen wird so eine derartige Situation mit einer parallelen Long-Short-Strategie gespielt: Die Hedge-Fonds-Manager gehen gleichzeitig long in US-Aktien und short in deutschen Aktien. Der Gedanke dahinter: Wenn die Märkte fallen, werden deutsche Aktien stärker fallen als US-Aktien. Wenn die Märkte steigen, werden die US-Aktien stärker ansteigen. Im Idealfall gewinnt der Hedge-Fonds also in beiden Szenarien.
USA long, Deutschland short
Jetzt rächen sich alle Fehler, die Berlin in den vergangenen 20 Jahren gemacht hat: Von der fehlenden Digitalisierung der Wirtschaft über die Energieabhängigkeit zu Russland bis zum Atomkraft-Ausstieg. Die USA hat ihre eigenen Probleme – und es sind nicht wenige. Aber die US-Wirtschaft ist wesentlich besser für das neue Zeitalter aufgestellt als die deutsche Volkswirtschaft. Zudem haben die USA und der Nachbar Kanada große Rohstoff- und Agrarressourcen.
Zudem ist die USA der Hightech-Standort Nummer Eins. Ein Sektor, der in den kommenden Jahren extrem spannend wird – egal wie sich die weltwirtschaftliche Situation entwickelt: Das Metaverse. Wer spielt da ganz vorne mit? Die USA. Wer nicht? Deutschland. Sie erkennen das Muster.
Das Kapital fließt an der Börse immer dahin, wo das Wachstum ist. Die USA haben eine bessere Ausgangssituation als Europa und vor allem Deutschland, um dieses Wachstum auch in den kommenden Jahren in der neuen Welt zu erzielen. Da sich rund 50 % der DAX-Aktien in den Händen ausländischer Investoren befinden, wird der deutsche Markt gleich doppelt getroffen, wenn Gelder in die USA umgeschichtet werden.
China ist der große Gewinner des Ukraine-Krieges
Der große Gewinner der geopolitischen Neuorientierung ist China. Die Art und Weise, wie Putin Russland vom Westen isoliert und die eigene Wirtschaft in den Ruin treibt, spielt Beijing perfekt in die Karten. Denn mit jedem Tag wird die russische Wirtschaft noch abhängiger von China. So kann China Russland wunderbar für drei Dinge ausnutzen, die Beijing dringend braucht:
- Als günstiger Lieferant von Energie-Rohstoffen, Industriemetallen und Agrarrohstoffen.
- Als Lieferant von Rüstungstechnologie, wo China laut Rüstungsexperten überraschend rückständig gegenüber Russland ist.
- Als geopolitischer Pitbull für das Grobe im neuen Ost-West-Konflikt. Beispiel: Eine zukünftige russische Eskalation im Baltikum würde China im Taiwan-Konflikt sehr in die Karten spielen, um die USA parallel in zwei Krisenherden zu binden.
Es gibt hervorragende chinesische Unternehmen, vor allem aus dem Internet-Segment. Aufgrund der Konfrontation zwischen China und den USA ist es aber inzwischen sehr risikoreich, als Ausländer in chinesische Aktien zu investieren – wie wir gerade in Russland erlebt haben.
Der smarte Investment-Weg für den China-USA-Konflikt
Der smarte Investment-Weg für den China-USA-Konflikt sieht anders aus: Wenn dieser nächste Höhepunkt des zweiten Kalten Krieges eskaliert – und das wird er – erwarten wir protektionistische Maßnahmen und Sanktionen auf beiden Seiten. Wir erwarten z.B. ein Verbot der ultra-populären chinesischen Social Media-App TikTok in den USA.
An dem Tag der Verbotsbekanntgabe werden Aktien der US-Konkurrenten Meta und Snap nach oben schießen. Denn dann ist deren schärfster Konkurrent im wichtigsten Social Media-Markt aus dem Weg geräumt. Diese beiden Aktien sind eine smarte – weil weniger risikoreiche – Investmentoption.
Fazit: Die USA haben viele Probleme. Aber für die neue makroökonomische und geopolitische Zeitrechnung sind die USA besser aufgestellt als Europa und vor allem Deutschland. Mit Ausnahme einer kurzfristigen Rallye-Möglichkeit im Falle eines Friedens in der Ukraine erwarten wir mittelfristig eine Underperformance der europäischen, vor allem der deutschen Aktienmärkte. Schauen Sie deshalb verstärkt auf Wachstumssektoren in den USA. Dort werden sich die größten Gewinnchancen bieten.