Autor: Daniel Wilhelmi
Wenn Anleger von heißen Hightech-Sektoren hören, denken sie zuerst an KI, den damit verbundenen Chipsektor oder Krypto. Zu Recht. Doch es gibt noch eine weitere Rallye im Hightech-Sektor, über die aktuell kaum jemand spricht: Der Biotech-Sektor befindet sich in einer neuen Haussephase.
Seit den Tiefs im Oktober 2023 ist der Nasdaq Biotech Index um +25% angestiegen. Das ist umso überraschender, da der Biotech-Sektor sehr sensibel auf hohe Zinsen oder erschwerte Finanzierungsbedingungen reagiert. Beides finden wir aktuell in den USA vor. Da die meisten Biotech-Unternehmen noch Verluste schreiben und daher ständig neues Kapital brauchen, reagiert der Sektor sehr sensibel auf die oben beschriebenen Entwicklungen.
Chart: Nasdaq Biotech Index im Aufwärtstrend
Wenn die Beschaffung von frischem Kapital teurer oder nur zu schlechteren Konditionen erfolgen kann, belastet es normalerweise die Biotech-Aktien. Dass der Biotech-Sektor trotzdem eine Aufwärtsbewegung gestartet hat, ist also ungewöhnlich und sendet zwei Signale: Es ist positiv für den Gesamtmarkt. Denn es zeigt, dass sich der aktuelle Hightech-Bullenmarkt über die „Magnificent Seven“-Aktien und Chip-Werte ausweitet. Das ist die gute Nachricht für die Bullen.
Biotechs reagieren sensibel auf Zinsbewegungen
Die gute Nachricht für die Bären: Die Biotech-Werte starten normalerweise am Ende eines Bullenmarktes durch. Denn sie gehören zu der chancenreichsten, aber auch zu der risikoreichsten Anlageklasse. Da die Forschungen an vielen Wirkstoffen bei vielen Biotech-Firmen noch Jahre dauern, gelten Biotechs als das ultimative Barometer für den Hype um Zukunftsfantasie.
Diese Markteinschätzung ist fundamental nicht mehr ganz gerechtfertigt. Viele Forschungen wurden in den vergangenen Jahren deutlich vorangetrieben. Zudem wird KI die Biotech-Forschung revolutionieren und massiv verkürzen. Tatsächlich wird der Biotech-Sektor einer der großen Gewinner der 1. Generation von KI-Anwendungen sein.
Die aktuelle Rallye nimmt also offensichtlich die erwarteten Zinssenkungen im 2. Halbjahr 2024 voraus (denn die Börse schaut bei ihren Trades immer 6 bis 12 Monate in die Zukunft). Es zeichnet sich jedoch ab, dass die US-Notenbank die Zinsen weniger stark senken wird, als die Börse aktuell antizipiert. Wenn überhaupt. Denn die Wirtschaftsdaten sind noch robust, aber die Inflation gräbt sich um 3,0% ein – deutlich über dem erklärten Inflationsziel von 2,0%. Wir haben hier also ein Risikopotenzial für den Biotech-Sektor.
Es baut sich positives Momentum im Biotech-Sektor auf
Doch das entscheidende Wort für Börsenstrategien seit der Finanzkrise 2008/09 lautet: Momentum. Der beste Trade am Aktienmarkt in den letzten 15 Jahren: Man investiert einfach stur mit den heißen Trends und lässt die heißen Aktien laufen. Diese Anlagestrategie wurde durch die Corona-Krise und die Milliarden USD, welche die Notenbank in die Märkte pumpte, noch beschleunigt.
Vor diesem Hintergrund hat Biotech noch viel Potenzial: Wir sehen bei Biotech die erste Stufe einer neuen Haussephase. Von crazy Aktienkursentwicklungen wie bei Nvidia oder Super Mirco sind wir noch weit entfernt. Der Biotech-Sektor dürfte in 2024 von einer Rotation aus überteuerten Sektoren profitieren, was das Risiko von geringeren Zinssenkungen kompensieren dürfte.
Fazit: Die Biotech-Rallye ist noch nicht so weit fortgeschritten wie z.B. die Rallye im Chip-Sektor. Tatsächlich notiert der NBI noch weit unter seinem Allzeithoch vom August 2021. Konservativere Anleger kaufen nach einer Korrekturwelle breit gestreute Biotech-ETFs. Spekulative Anleger können zudem auf ausgesuchte Einzelwerte im Small Cap-Bereich setzen. Dort gibt es zahlreiche Perlen, deren Börsenbewertungen trotz spannender Forschungspipelines manchmal sogar unter den Netto-Cashpositionen der Unternehmen notieren.