Autor: Daniel Wilhelmi
Wir hatten eigentlich für diesen Block ein positives Thema im Auge. Doch die aktuellen Ereignisse gebieten einen Kommentar über die Ukraine-Krise und die Börse in Kriegs-Situationen. Die meisten von Ihnen dürften noch nie eine Börse in einer Kriegssituation erlebt haben.
Ich, Daniel Wilhelmi, habe die Kriegssituation an den Finanzmärkten schon erlebt: Den zweiten Irak-Krieg und den Afghanistan-Krieg der USA vor zwanzig Jahren. Der entscheidende Punkt in diesen Krisensituationen: Börse wird von Emotionen regiert. Das bedeutet: Bei Krisen und Krieg überdrehen Börsianer in Angst und Panik.
Lassen Sie sich nicht von Emotionen anstecken
Merken Sie sich im Zusammenhang mit der Russland-Ukraine-Krise eine Börsenweisheit und eine wichtige Entwicklung in der Börsenpsychologie. Die Weisheit: „Politische Börsen haben kurze Beine“. Das bedeutet: Die Panik an den Börsen ist anfangs groß, verfliegt dann aber schnell, wenn es nicht um wirtschaftliche Fakten geht. Kurzfristig regieren an der Börse Emotionen. Mittelfristig setzen sich aber die fundamentalen Fakten der Unternehmen durch.
Denn – und damit sind wir bei der Börsenpsychologie: Bei Börsianern gibt es einen ausgeprägten Gewöhnungseffekt. Das bedeutet: nach einer gewissen Zeit stumpft die Börse über Meldungen zu einer Krise ab. Nach dem anfänglichen Schock entwickeln Börsianer eine neutrale emotionale Haltung zu neuen Krisen-Nachrichten, so lange deren geopolitisches Level nicht über den bisherigen Nachrichten liegt.
Beispiel aus meiner Börsenhistorie: Die Terrorwelle in Europa in 2004 bis 2006. Die Terroranschläge in Madrid und London sorgten noch für massive kurzfristige Kursrückgänge an den europäischen Aktienmärkten. Doch danach setze der Gewöhnungseffekt ein. Spätere Terroranschläge sorgten dann kaum noch für negative Reaktionen an den Börsen.
So dürfte es auch im Fall der Ukraine-Krise und selbst eines Krieges in der Ukraine ablaufen: Wir werden anfänglich starke Kursrückgänge an den Aktienmärkten sehen, die mit der fortlaufenden Kriegsentwicklung immer weiter abnehmen. Bei den Rohstoff- und Ölmärkten sieht der Verkauf aufgrund der wichtigen Rolle Russland natürlich anders aus. Hier erwarten wir mittelfristig weiter steigende Kurse.
„Politische Börsen haben kurze Beine“
Was sollte man also tun? Der wichtigste Punkt: Sie haben keine kreditfinanzierten Investments. Wenn Sie auf Kredit spekuliert oder investiert haben sollten – was man niemals tun sollte – dann muss der erste Schritt lauten: Den Kredit so schnell wie möglich begleichen, um die Gefahr von Rückzahlungsforderungen oder Zwangsliquidationen zu vermeiden.
Jetzt in Panik zu verkaufen, macht wenig Sinn. Vor allem bei Unternehmen, die fundamental stark sind und deren Geschäftsmodelle von der Ukraine-Krise oder Russland-Sanktionen nicht betroffen sind. Man sollte in diesem Zusammenhang z.B. Investments in deutsche Mittelstandsfirmen oder in österreichische Unternehmen genau überprüfen.
Nutzen Sie die Chance in der Krise
Zahlreiche deutsche Mittelständler und österreichische Firmen machten in der Vergangenheit bedeutende Umsätze in Russland. Das wird ein Problem für diese Unternehmen. Solche Aktien sind eher Verkaufskandidaten.
Auf der anderen Seite spielt die Russland-Krise z.B. für die Geschäftsentwicklung amerikanischer Hightech- oder Biotech-Firmen keine Rolle. Rohstoffkonzerne mit sicheren Produktionen in Nordamerika oder Westeuropa werden von der Situation sogar profitieren, da sie in Folge der Sanktionen mehr Nachfrage sehen (z.B. Shell oder Totalenergies).
Hier bieten geopolitische Krisen spannende Kaufchancen, da Anleger in der Anfangspanik alle Aktien abverkaufen – ohne zwischen gesunden Unternehmen und betroffenen Firmen zu unterscheiden. Zum russischen Markt und Investmentchancen am russischen Aktienmarkt lesen Sie einen Artikel in der kommenden Newsletter Ausgabe.
Fazit: In heißen Börsenzeiten ist immer ein kühler Kopf gefragt. Auch an der Börse wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Die starken Kursverluste in der aktuellen Ukraine-Krise sind schmerzvoll. Aber die Börsengeschichte zeigt auch: Verluste, die primär auf geopolitischen Krisen basieren, werden bei fundamental starken Werten ebenso schnell aufgeholt.
Eine ausführliche und emotionale Einordnung zum Thema sehen Sie in diesem Video. Hier gehe ich im Detail auf die Auswirkungen ein, nenne aber auch mögliche Gewinner der Krise.