Autor: Daniel Wilhelmi
Keine Frage wird derzeit an den Börsen so oft gestellt wie diese. Bei etablierten, großen Blue Chips sehen wir inzwischen heftige Kursverluste. Im Kryptosektor erleben wir schon einen Crash. Selbst Gold, eigentlich als „Sicherer Hafen“ geschätzt, durchlief in den vergangenen Wochen deutliche Abwärtsbewegung. Was ist los an den Börsen?
Es kommen in 2022 viele Gründe für die Kursverluste zusammen: Von den geopolitischen Krisen über die hohen Öl-, Gas- und Nahrungsmittelpreise und die dadurch explodierende Inflation bis zu der Sorge um eine Rezession oder gar eine Stagflation und die Zinserhöhungen der US-Notenbank. Für die US-Börsen sind aktuell die Inflation und die Aktionen der Notenbank FED entscheidend.
Die FED hat erklärt, dass die Bekämpfung der Inflation oberste Priorität hat. Vereinfacht gesagt gibt es zwei Gründe für die Inflation. Einen hat die FED selbst verschuldet. Den anderen nicht.
- Grund: Es war richtig im Zuge der Finanzkrise 2008/09 und auch in der Covid-Pandemie 2020 die Märkte mit Liquidität zu fluten, um die Finanzsysteme und die US-Wirtschaft zu stabilisieren. Beide Aktionen retteten die US-Wirtschaft und dadurch die Weltwirtschaft vor katastrophalen Einbruchszenarien.
Das Problem war, was die FED zwischen diesen beiden Ereignissen bzw. nach dem Corona-Crash tat: Man flutete die Kapitalmärkte, die Wirtschaft und in 2020/21 die amerikanischen Privathaushalte viel zu lange mit billigem Geld. Zudem dauerten die QE-Programme viel zu lange. Beide Aktionen sorgten für inflationäre Bewertungsanstiege der Aktienmärkte, der Kryptos oder der Immobilienmärkte. - Grund: Durch den Angriffskrieg Russland auf die Ukraine und die danach erfolgten Sanktionen wurde der Superzyklus im Rohstoffsektor massiv beschleunigt und die Energie- und Nahrungsmittelpreise explodierten.
US-Notenbank FED schwingt den großen Hammer
Für den zweiten Grund kann die FED nichts. Aber sie muss dieses Problem nun on top der selbst verursachten Asset-Inflation lösen. Denn die Inflation durch die Rohstoffpreisanstiege ist eine „Sticky Inflation“. Höhere Treibstoffpreise, Energiekosten und Lebensmittelpreise belasten die Haushalte und reduzieren den Konsum – und das ist Gift für die US-Wirtschaft. Zudem besteht die Gefahr, dass die ärmeren Haushalte völlig abrutschen.
Da die FED zu lange dem falschen Analyseansatz einer temporären Inflation anhing, hinkte man schon vor dem Ukraine-Krieg mit der Inflationsbekämpfung hinterher. Nun hat die Inflation den Porsche-Turbo eingeschaltet und die FED fährt sozusagen auf einem Fahrrad hinterher.
Das Problem der Rohstoff-Inflation: Sie kann von zwei Seiten bekämpft werden – Angebot oder Nachfrage. Das Angebot im Rohstoffsektor kann aber so schnell nicht erhöht werden – vor allem bei den Industriemetallen. Es dauert, bis neue Minen aufgebaut oder Produktionen erhöht werden können. Dazu kommen die Lieferengpässe aus China und Asien aufgrund von Covid, die zu Preisanstiegen bei zahlreichen Produkten führen. Das ändert sich auch nicht von heute auf morgen.
FED will die Nachfrage-Seite zerstören
Wenn also das Angebot nicht schnell erhöht werden kann, dann muss die Lösung in einer Reduktion der Nachfrage liegen. Genau zu diesem Schluss ist die FED gekommen. Der Plan: Durch aggressive Zinserhöhungen soll die Nachfrage in den USA knallhart reduziert werden. Doch nun kommt das Problem: Die FED verfügt nicht über die nötigen feinen administrativen Instrumente, um die US-Nachfrage sanft und in kleinen Schritten abzukühlen.
Es ist eher so, als ob man beim Zahnarzt ist: Gebraucht werden feinste medizinische Instrumente – aber Doktor FED hat nur einen Hammer und Meißel. Die Behandlung kann theoretisch gut gehen, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es misslingt, schmerzvoll wird und andere gesunde Zähne beschädigt werden.
Die Historie zeigt uns, dass genau dies in der Vergangenheit immer der Fall war: Durch grobe, überdrehte Zinserhöhungen wurde die Wirtschaft zu stark abgewürgt und die USA schlitterte in eine Rezession.
Börse sorgt sich vor schwerer Rezession
Das ist ganz schlecht. Aber noch schlechter wurde die Situation in dieser Woche: Die beiden amerikanischen Einzelhandelsriese Walmart und Target vermeldeten ihre neuen Quartalszahlen – und beide Konzerne präsentierten schlechtere Zahlen als die Wall Street erwartet hatte.
Diese unerwartet schwachen Geschäftsberichte zeigten einen deutlichen Konsumrückgang. Nun sorgt sich die Börse: Wenn wir jetzt schon einen unerwartet hohen Konsumrückgang haben, aber die FED erst noch mit dem groben Hammer überdreht auf den Markt einschlagen wird (sprich: die Zinsen massiv anheben wird) …wie schlimm wird die US-Wirtschaft dann in 2023 abstürzen?
Eine leichte Rezession scheint inzwischen schon vom Tisch. Wird es also eine schwere, längere Rezession? Oder gar eine Stagflation? Was passiert, wenn durch die Zinserhöhungen auch noch der amerikanische Immobilienmarkt kippt? Genau diese Verunsicherung sorgt für die Panikverkäufe.
Cash ist King und Sonderchancen nutzen
Wie agiert man also in so einem schwierigen Marktumfeld richtig? Die einzigen zwei Sektoren, die aktuell funktionieren sind Energie und Cash. Aber über Energieinvestments hängt eine Korrekturgefahr, wenn China seine irren „Zero Covid“-Lockdowns beendet. Aktuell wird jede Erholung der Aktienmärkte von Börsianern zu Verkäufen genutzt. Das zeigt Ihnen: Cash ist King.
Die populäre Strategie an der Wall Street lautet: Cash halten und dann in Bärenmarkt-Rallyes kurzfristige Trades auf der Long-Seite eingehen. Da Bärenmarkt-Rallyes in Korrekturphasen extrem dynamisch sind, lassen sich hier in der Tat gute Gewinne mit Swing Trades und selbst kurzfristigen Trades einfahren.
Wer kein Trader ist, spielt die große Trendwende am Ende des Bärenmarktes aus. Man hält jetzt passiv Cash und macht keine Performance. Aber man investiert dann nahe dem Tief des Bärenmarktes und fährt durch den tiefen Einstieg so große Gewinne ein, dass die Performance über den gesamten Bärenmarkt-Zeitraum top ist.
Wir investieren zudem in autarke Investment-Stories im Small Cap-Sektor. Diese Aktien orientieren sich mittelfristig an ihren eigenen fundamentalen Entwicklungen und können aufgrund der kleinen Börsenbewertungen auch in einem schwierigen Marktumfeld herausragende Kursanstiege hinlegen, wenn die Stories aufgehen.
Fazit: Es ist wichtig zu verstehen, dass wir uns in einer neuen Börsenphase befinden. Die alte Börsenparty der „Everything Bubble“ ist vorbei. Erstklassige Firmen wie Google oder Microsoft werden sich erholen. Aber viele kleine Unternehmen, die nur Geld verbrennen und unternehmerisch nicht liefern, werden untergehen. Das Gleiche werden wir bei den Kryptos sehen: Da ist der Schmerz wahrscheinlich noch nicht vorbei. Aber Bitcoin wird wiederkommen. Doch Dogecoin und der andere Schrott nicht mehr. Wann ist das Ende des Bärenmarktes da? Die Antwort: In der Sekunde, wo die FED das Ende der Zinserhöhungen oder eine neue QE-Phase verkündet oder die Rohstoffpreise nachhaltig sinken.