Um die chinesische Volkswirtschaft richtig zu verstehen, muss man den dortigen Immobiliensektor verstehen. Nur dann werden die Gefahren offensichtlich, die dieser Sektor für die chinesische Wirtschaft und damit sogar die Weltwirtschaft haben könnte. Fakt ist: China erlebt jetzt seine eigene Immobilienkrise, die wir in den USA 2007/08 sahen.
Bei der chinesischen Bevölkerung galten Immobilien über Jahre als das beste Investment. Jahrelang pumpten immer mehr Chinesen ihr Geld in den dortigen Immobilienmarkt und heizten so den Immobilien- und Bauboom an. Dadurch wurden einige chinesische Immobilienfirmen wie Evergrande, Vanke oder Country Garden zu den größten Konzernen in China und sogar der Welt.
Diese Immobilienkonzerne übernahmen immer größere Bauprojekte – und mussten sich dadurch immer mehr verschulden. Doch aufgrund der ultrahohen Nachfrage der Chinesen für Immobilien konnten die Konzerne Wohneinheiten an die chinesischen Konsumenten vorverkaufen – bevor überhaupt mit dem Bau begonnen wurde.
Die Immobilienriesen nutzen die Anzahlungen postwendend als Investments und Kreditsicherheiten für noch mehr Schulden für die nächsten, noch größeren Bauprojekte. Sie sehen zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich schon, wohin diese Reise nach Jerusalem geht. Nehmen wir Evergrande: In 2018 hatte Evergrande 104 Mrd. USD Schulden. In 2021 waren es geschätzt 300 Mrd. USD – und dann gingen die Lichter aus.
Immobilienkonzerne bis unters Dach verschuldet
Der chinesische Immobilienboom basierte also auf ständig neuen Bauprojekten in gigantischen Ausmaßen, die durch Anzahlungen chinesischer Immobilienkäufer für vorherige Bauprojekte und riesige Kredite finanziert wurden. Es entstand eine gewaltige Immobilienblase. Das System funktionierte, so lange neue chinesische Konsumenten immer neues Geld in den Immobilienmarkt pumpten.
Die Nadel, die diese Blase nun zum Platzen bringen könnte: die Zero Covid-Lockdowns. Sie erschütterten das Konsumentenvertrauen in China. Zudem sanken dadurch die Einkommen. Gepaart mit der steigenden Arbeitslosigkeit in den jungen Generationen, die jetzt eigentlich in Immobilien investieren würden, sorgt dieser Cocktail für sinkende Immobilienkäufe in China.
Gleichzeitig versuchte Beijing zuletzt Luft aus der Blase abzulassen, bevor diese platzt. Man erschwerte die Kreditaufnahmen. Doch dieser Ansatz hatte einen problematischen Effekt: Viel Immobilienkonzerne hatten so wenig Cash, dass sie nicht mal die alten Bauprojekte fertigstellen konnten und können. Bauprojekte, die ja schon voll verkaufte waren.
Millionen Chinesen sitzen plötzlich in sprichwörtlich halb-fertige Wohnungen in Bauruinen, die nicht fertig gestellt werden können. Laut einer Studie der Bank of America könnten bis zu neun Prozent aller vorverkauften Wohneinheiten aus 2020 und 2021 nicht mehr fertig gestellt werden.
Immobilienverkäufe in China stürzen ab
Teilweise werden die Wohnblöcke sogar gar nicht mehr gebaut. Das untergräbt das einst unerschütterliche Vertrauen der Chinesen in den eigenen Immobilienmarkt. Die Folge: Die Immobilienverkäufe brechen ein. S&P schätzt, dass die Immobilienverkäufe in China in diesem Jahr um -30 % abstürzen werden – schlimmer als 2008 (-20 %).
Doch es kommt noch dicker: diesen Summer entstand unter chinesischen Immobilienkäufern, deren Wohnungsprojekte in Gefahr sind, eine neue Form des Protests: die Käufer weigern sich, ihre Kredittilgungen an die Banken zu zahlen, bis die Immobilienprojekte fertiggestellt sind. Nicht mal die chinesische Regierung war in der Lage, diese neue Protestform zu kontrollieren.
Inzwischen sind über 300 Bauprojekte in über 100 Städten betroffen. Das ist aus Sicht der Käufer absolut verständlich, bringt aber ein großes Risiko für den chinesischen Bankensektor. Laut Studien von S&P und der Deutschen Bank könnten bis zu 7 % aller Kredite in Gefahr sein, wenn die Kunden die Zahlungen weiter verweigern. Das sind zwischen 350 bis 400 Mrd. USD.
Sie sehen, wie die Dominosteine fallen. Die Zahl der Kreditausfälle stiegen in diesem Jahr aufgrund von Covid bereits auf Rekordhochs. Das ist schon schlecht für die chinesischen Banken. Doch nun kommt die Krische auf die Torte: anstatt das Risiko der Banken zum Immobilienmarkt zu begrenzen, ordnete Beijing an, dass die Banken den Kreditbedarf der Immobilienkonzerne bis zu einer Grenze bedienen müssen.
Fazit: Das bedeutet nichts anderes, als dass die Banken nun das Kreditrisiko der Immobilienkonzerne übernehmen müssen. Das erhöht die Risiken für eine Finanzkrise in China, die dann auf andere Sektoren überspringen könnte. Sie sehen: in China braut sich etwas zusammen!