Stellen sie sich vor, sie könnten ihr Leben so gestalten, wie sie es sich schon immer gewünscht haben. Ohne morgendlichen Wecker, ohne Stau und Berufsverkehr, ohne Krawatte, ohne nervige Kollegen, Meetings und Deadlines. Oder, die moderne Geißel der heutigen Zeit: Ohne einen Marathon an aufeinander folgenden Teams-Meetings. Was würden sie tun, wenn sie ihren Tag vollkommen selbstbestimmt gestalten könnten und nicht mehr ihre Zeit gegen Geld tauschen müssten?
Mir würde eine ganze Reihe an Dingen einfallen. Ich verspreche Ihnen, Ideen habe ich genug. Ob sie lieber den halben Tag ausschlafen und dann in Ruhe frühstücken oder mit dem Speedboat in Mexiko übers Meer rasen und anschließend den Dschungel erkunden – vollkommen egal. Es ist ohnehin nur eine Phantasie – oder doch nicht?
FIRE Bewegung und die 4% Regel
Haben Sie schon einmal von der FIRE-Bewegung gehört? FIRE steht für „Financial Independence Retire Early”. Die Anhänger dieser Bewegung gehen davon aus, dass man zum Aufbau eines Vermögens wenige Jahre lang alles daransetzt, so viel Geld wie möglich zu sparen. Anschließen lebt man aus dessen Ertrag. Ihren typischen Lebensstil bezeichnen sie als frugalistisch. Dazu gehört der Verzicht auf alle Dinge, die nicht unbedingt nötig sind. Das restliche Geld wird zumeist in ETFs oder Immobilien angelegt, bis das Vermögen eine Größenordnung von 25x den jährlichen Ausgaben erreicht hat. Diese Vorgehensweise basiert auf der Annahme, dass 4% passiver Kapitalertrag aus dem Kapital realistisch ist und somit das Geld ohne Kapitalverzehr für den Rest des Lebens ausreicht.
Wenn die jährlichen Ausgaben beispielsweise 30.000€ betragen, benötigt man ein Kapital von 750.000€. Man muss kein Genie sein, um intuitiv zu wissen, dass 30.000€ nicht nur bei der derzeitigen Inflation in Zukunft nicht reichen werden – egal wie frugalistisch sie leben. Eine realistischere Größenordnung unter Anwendung der 4% Regel ist also eher die doppelte Summe.
Ein guter Lifestyle hat nichts mit Ruhestand zu tun
Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Für die meisten von uns wird der Plan 1,5 Millionen Euro anzuhäufen und dann von 4% Rendite zu leben, nicht aufgehen. Die Chance ist hoch, dass sie bereits alt und grau sind, wenn sie das Ziel erreicht haben. Doch es ist auch gar nicht notwendig.
Möchten Sie wirklich die nächsten 10 Jahre nicht mehr in Urlaub fahren und kein Restaurant mehr besuchen, um dann das gleiche bescheidene Leben weiter zu führen, nur ohne dafür arbeiten zu müssen? Ich jedenfalls nicht. Deswegen kommt hier eine andere Perspektive auf das Thema finanzielle Freiheit:
Rendite: Stimmt die 4% Regel?
Falls sie wirklich vollständig passiv investieren und sich keinerlei Gedanken um ihre Finanzen mehr machen möchte, geht die Rechnung auf. Doch ich nehme an, wenn das so wäre, würden sie nicht diesen Blog lesen. Mit einer guten Anlagestrategie, ist auch ohne übertriebene Risiken eine Rendite von >8% möglich. Wir haben Anfang Oktober unsere Dividenden-Strategie vorgestellt, mit der wir durch antizyklische Zukäufe Dividenden-Renditen von 5-10% realisieren – und zusätzlich attraktive Kursgewinne. Gehen wir von einer 8% Rendite auf Ihr Kapital aus, dann sieht die Rechnung schon deutlich attraktiver aus.
Justieren sie ihr Ziel neu
Ihr Ziel sollte nicht sein, gar nichts mehr zu tun. Ich versichere ihnen, das würde sehr schnell langweilig. Mein Ziel lautet, mehr Freiheit in jeder Lebensphase zu genießen. Da mehr Freiheit auch mehr Freizeit bedeutet, setzen sie sich als Ziel, im Zeitverlauf immer mehr Erträge aus ihrem Kapital zu generieren. So verschiebt sich das Verhältnis von aktiv erwirtschaftetem zunehmend zu passivem Einkommen. Das können beispielsweise Mieteinnahmen, Dividenden oder Gewinne aus Unternehmensbeteiligungen sein. Wichtig ist nur, dass ihr Kapital arbeitet und Cashflow erwirtschaftet.
Warum mit 100% Arbeitslast bis zur Rente schuften, wenn man auf halbem Weg bereits genügend passives Einkommen generiert um 50% des bisherigen Jobs zu ersetzen? Alles eine Frage der Perspektive. Das Ziel, mittelfristig immer mehr Freiheit und Mobilität zu erlangen klingt für mich wesentlich attraktiver als „früh in Rente“ zu gehen.
Denken sie in Lebensabschnitten
Anstatt dem großen Zahltag hinterher zu jagen, definieren sie, welches Maß an Freiheit und Kapital sie in welchem Lebensabschnitt haben möchten. Denn sofern sie nicht planen ein Eigenheim cash zu bezahlen oder sich eine Yacht zuzulegen, werden sie wohl kaum eine Million Euro auf einen Schlag benötigen.
Beginnen sie mit dem kurzfristigen Zeithorizont, nehmen dann die langfristige Perspektive ein um zum Schluss den Mittelteil zu definieren.
Kurzfristig: Leben im Hier und Jetzt
Sind sie kurzfristig in der Lage, unvorhergesehene Ausgaben zu decken? Haben sie genügend freies Kapital, um Anschaffungen oder Investitionen zu tätigen? Wären Sie in der Lage, sechs Monate um die Welt zu reisen, ohne dabei aktiv Einkommen zu generieren? Wir befinden uns hier in einem theoretischen Gedanken-Experiment. Falls ihnen jetzt schon Gedanken kommen wie „das geht sowieso nicht, weil ich für eine längere Reise keine Zeit habe“, dann schieben sie diese erst einmal auf Seite. Ziel des kurzfristigen Vermögensaufbaus sollte sein, für Notfälle, Wünsche und Investitionen genügend frei verfügbare Liquidität zu haben. Geben sie diesem Ziel absolute Priorität.
Langfristig: Die Altersvorsorge
Wissen sie, wie hoch ihr Einkommen im Alter sein wird? Wenn nicht, wird es Zeit für einen Blick auf ihren Rentenbescheid – und zwar unter Berücksichtigung der Inflation. Sorgen sie privat vor? Falls ja, gut so – aber hoffentlich wissen sie dann auch, was ihnen ihr Versicherungsvertreter aufgeschwatzt hat und wie viel Kapital daraus zu erwarten ist. Hoffentlich haben sie keine Kapitallebensversicherung oder Riester-Rente. Aber das ist ein anderes Thema.
Rechnen sie sich aus, wie hoch die Differenz zwischen ihrer Rente und dem benötigten Wunscheinkommen ist. Beziehen sie dabei auch private Altersvorsorge-Verträge, ein mögliches Erbe, oder bis dahin abbezahlte Immobilie mit ein. Wenn sie zu dem Schluss kommen, dass die Lücke beispielsweise 1000€ pro Monat beträgt, dann errechnen sie das notwendige Kapital, um diese Summe zu erwirtschaften. Bei einer Dividendenrendite von durchschnittlich 6%, müsste ihr Dividenden-Depot einen Wert von 200.000€ haben.
Wenn sie jetzt 40 Jahre alt sind und mit 60 in Rente gehen möchten, dann bleiben 20 Jahre, um diese Summe anzusparen. Angenommen sie besparen einen ETF mit durchschnittlicher Rendite von 7% p.a., so müssten sie unter Berücksichtigung des Zinseszinses monatlich ca. 400€ investieren. Fangen sie hingegen mit 25 Jahren an, reichen 120€ im Monat aus!
Der Schlüssel zu einer sorgenfreien Altersvorsorgen ist also: Früh starten und den Zinseszins arbeiten lassen.
Mittelfristig: Echte Freiheit erschaffen
Hier wird es wirklich interessant. Wenn sie die beiden oberen Punkte abgehakt haben, dann sind sie kurzfristig liquide und um ihre Altersvorsorge brauchen sie sich keine Sorgen mehr zu machen. Die spannende Frage lautet: Wie viel Kapital benötigen Sie für den Zeitraum bis zum Ruhestand tatsächlich?
Treffen wir einige Annahmen, um uns der Sache anzunähern:
- Ihr aktuelles Einkommen beträgt 60.000€
- Ihr Ziel: 50% des Einkommens in den verbleibenden 20 Jahren sollen aus Investment-Erträgen erzielt werden. Sie möchten ab sofort nur noch Teilzeit arbeiten
- Sie haben sich intensiv mit den Strategien auf Investor-Strategy.com auseinandergesetzt und sind in der Lage durchschnittlich 10% Rendite p.a. zu erzielen
Sie benötigen also ein Kapital von ca. 300.000€, um ab sofort nur noch Teilzeit arbeiten zu müssen, sofern sie Ihre Altersvorsorge bereits geregelt haben. Apropos Altersvorsorge. Da sie die 300.000€ in diesem Szenario nicht verbrauchen, stehen sie für die Rente als zusätzliches Kapital zur Verfügung.
Fazit: Laufen sie nicht im Hamsterrad dem großen Zahltag hinterher bis sie alt und grau sind. Definieren sie ihre Ziele in den verschiedenen Lebensabschnitten und passen sie ihre Investment-Strategie an. Finanzielle Freiheit muss keine Illusion bleiben. In der nächsten Ausgabe folgt die Fortsetzung: Wir beschäftigen uns mit smarten Strategien für den Vermögensaufbau.